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Orgeluse – go wild tamed heart!

 

Orgeluses Liebesleid bringt die ganze Ritterschaft um König Artus in Aufruhr, die Gesellschaft zum Erliegen und den heiligen Gral zum Kochen!

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Orgeluse ist das eigentliche Katastrophenjuwel im „Parzival“ von Wolfram von Eschenbach. Juwel?

Wenn doch der Gralskönig durch sie fast stirbt und Parzival überhaupt erst den Gral suchen und eben jenen Gralskönig erlösen muss? Darüber hinaus verursacht sie die Spaltung der Geschlechter, die Ritter Gawan mit seiner unkonventionellen Kampfkunst wieder erlöst. Ja natürlich!

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Denn nur der Weg durch den tiefen eigenen Schmerz scheint den Mensch zum Erwachen zu führen. Orgeluses Liebesleid ist der versteckte Zünder, der rote Faden und der Erlösungsweg par excellance.

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Versteckt? Weil sie 1000 Jahre für alle Augen sichtbar mitten in Wolframs Parzival verborgen lag.

Dieses Juwel bringe ich nun zum leuchten und führe uns durch Orgeluses wundersamen Weg in die Selbstliebe – das Thema Nr. 1 in unserer Zeit.

 

Kapitel 1

„- O, Gott! das Leben ist doch schön“

(Friedrich Schiller, „Don Carlos“ 4. Akt, 22. Auftritt)

 

Orgeluse schloss die Augen um die fröhliche Brise tief in sich einzuatmen, die über die sanften Hügel ihres Landes strich. Die vor ihnen liegende Reise erquickte sie ebenso im Geiste, wie das wundervolle Ziel, dem sie jetzt entgegenreiten würden. Cidegast schwang sich derweil schon in seinen Sattel, während Orgeluse noch einmal ihren Blick über den Burghof schweifen ließ um ihrem Gefolge zu zu nicken. Wenn sie von Nantes wiederkommen würde, wäre sie endlich mit Cidegast vereint, ganz offiziell, wären sie dann, von Artus, zu Mann und Weib erklärt. Cidegast war nicht minder aufgeregt und mahnte herzhaft zur Abreise. Mit einem verliebten Lächeln in seine Richtung, saß Orgeluse schließlich voller Vorfreude auf und gab ihrem geliebten Pferd einen kaum merklichen Schenkeldruck. Kopf an Kopf schritten sie durch Orgeluses Land Logroy, genossen das warme Frühlingswetter und die gemeinsamen Stunden, die sie ausnahmsweise einmal ganz für sich haben würden.

Je näher sie aber dem Nachbarland und somit dem Landesherren Gramoflanz kamen, um so angespannter wurde Orgeluse, bis es Cidegast auffiel. Orgeluse brauche sich keine Sorgen zu machen, denn er würde sie natürlich verteidigen. Das aber genau war ihre Sorge! Cidegast brauche sie nicht zu verteidigen, das könne sie schon selbst. Orgeluse fand es ungeheuerlich mit welcher Hartnäckigkeit Gramoflanz Orgeluses Ablehnung ignorierte. Es gäbe nichts zu verteidigen oder zu erkämpfen, denn ihre Liebe sei klar geäußert und unerschütterlich zu Cidegast. Zu glauben man könne ihre Liebe mit Kampf erlangen sei das Absurdeste auf der ganzen Welt. Für Cidegast war die Sache im Grunde ebenso einfach, wie für Orgeluse. Er würde jederzeit für Orgeluse kämpfen, denn das war ganz normal. Man verteidigt seine Minnedame eben. Orgeluse schüttelte vehement und wild den Kopf, dass sogar ihr Pferd unruhig wurde. Innerlich schäumte sie vor Fassungslosigkeit. Sie ritt ganz dicht an Cidegast heran. Orgeluse fasste Cidegast am Arm, dass sein Pferd stehen blieb und er direkt in ihre Augen schauen musste. Orgeluse hatte diesen Satz schon viele viele Male wiederholt und nicht gemerkt, wie und ob ihre Worte überhaupt in Cidegasts Seele wirkten. „Ich liebe Dich mit jeder Faser meines Seins, du bist mein Leib und ich dein Herz und umgekehrt. Nichts was noch bewiesen werden müsste – ich bin schon dein!“ Ganz, ganz leicht ängstlich blickte Cidegast in ihre Augen, überwältigt zwar von ihrer Leidenschaft, doch auch nicht minder irritiert. „Ich weiß“ hauchte er nur, während er sein Pferd zügelte, das weiterwollte. Sie ließen die Pferde am langen Zügel den Weg wiederaufnehmen und sahen plötzlich am Horizont einen gerüsteten Ritter. Orgeluse sackte zusammen, denn schon von weitem wurde ihr gewahr, dass es nur Gramoflanz sein konnte. Gemächlich auf nervösem Pferd, wartete ihr Nachbar, einer Drohung gleich auf die Reisenden. Noch bevor aber Gramoflanz seine Herausforderung an Cidegast äußern konnte, zog Orgeluse ihr Schwert parierte ihr Pferd vor Cidegasts und setzte ihre Waffe auf Gramoflanz Brust. „Wagt es nicht auch nur EIN Wort an uns zu richten, ich zahle jährliche Passage, also aus dem Weg!“ Perplex, und fast von seinem nervösen Pferd aus der Balance gebracht, blieb Gramoflanz nichts anderes übrig als zur Seite zu schreiten um den ebenso perplexen Cidegast vorbeireiten zu lassen. Orgeluse, selbst noch ganz ergriffen von ihrer Erregung und spontanen Aktion, steckte zitternd ihr Schwert wieder in die Halterung am Sattel um mit stolzem Blick auf Gramoflanz ihrem geliebten Cidegast zu folgen. Cidegast wusste darauf hin lange nichts zu sagen, waren sie doch vor kurzer Zeit noch so freudig im Gespräch versunken. Doch Orgeluse fühlte sich großartig, gestärkt und wieder frei. Sie wusste nicht so recht, wie sie mit Cidegasts Schweigen umgehen sollte und sprach ihn deshalb einfach an. Er schien immer noch verwirrt, spürte etwas Bitteres in seinem Hals und brach dann einfach impulsiv hervor, dass er sicher in der Achtung vor Gramoflanz gesunken sei. Er wisse gar nicht wie er ihm an Artus Hofe begegnen soll. Orgeluse wusste schnell eine, wie sie meinte, passende Antwort, nämlich dass er stolz sein soll auf ihre großartige Liebe und den ollen Gramoflanz einfach ignorieren sollte, einfach nicht auf seine Provokationen reagieren sollte. In ihm aber wurde klar, dass er sich eigentlich von Orgeluse gedemütigt fühlte, entwürdigt und bevormundet, Dinge, die sie ihm schon so oft gesagt hatte, wenn Gramoflanz sich um sie bemühte. Du meine Güte aber, eine Minnedame durfte einfach nicht zwischen die rivalisierenden Ritter gehen. Es sei, sagte schließlich Cidegast, einfach seine Aufgabe SIE zu verteidigen in ordentlichem Kampf und sie habe ihn eben um seinen Beweis der Ehrhaftigkeit gebracht. „Cidegast!“ verteidigte sich Orgeluse, „ich will dich lebend! Das ist alles! Ohne Kampf steigt die Wahrscheinlichkeit einfach, dass du am Leben bleibst! Du musst mir nicht beweisen, dass du mich liebst, das weiß ich aus tiefstem Herzen! Ja, ich bitte dich geradezu darum nicht um mich zu kämpfen. Du erweist mir viel mehr Ehre wenn du NICHT um mich kämpfst, denn du hast mich schon, schon lange, lange gewonnen!“ Wie aber stünde er nur von den anderen Rittern da! Ein Weichling oder Feigling gar. Es schädige doch seine Ehre und ihr Wunsch sei einfach zu, zu, ungewöhnlich. Ihm fiel kein anderes Wort dafür ein.

 

 

Kapitel 2

„swelhiu sîner minne enphant, durch die freude ir was gerant“

(Wolfram von Eschenbach, „Parzival“ 155,15)

 

Als habe Gramoflanz das junge Paar den ganzen Weg verfolgt war Cidegast und Orgeluse kaum vergönnt ein Wort mit Gawan auszutauschen als sie in Nantes bei Artus ankamen. Die beiden Freunde sahen sich nicht oft und hätten vieles zu erzählen. Allein, dass Cidegast heut Abend noch der Angetraute seiner holden Orgeluse werden würde, und das in aller Ehre an Artus Hof daselbst! Auch Gawan und Orgeluse waren sich vertraut aus Kindertagen und konnten kaum erwarten, zu dritt den Abend zu verbringen.

Cidegast übergab gerade ihre Pferde einem Knecht als Gramoflanz, noch hoch zu Ross, ihn erneut um Orgeluse forderte. Gawan legte schnell, mit sanftem Blick in Orgeluses schwer erboste Augen, seinen Arm auf ihre Hand, die schon nach ihrem Schwerte greifen wollte und stellte sich, ohne Waffen ermunternd neben seinen Freund. In Cidegast aber wirkten noch die Demütigung vom Morgen, der liebende Wille seine Orgeluse zu verteidigen und der Respekt in Artus Burg, nicht gleich dem ersten Besten Kampf in Übermute zu verfallen. Ein Blick auf seinen Freund, ein Blick in Orgeluses feuriges Gemüt, ließ seine Hand vom Schwert abgleiten. Gawans feste Worte verboten Gramoflanz an diesem Orte, zu diesem Anlass, einen Streit hervorzubrechen. Artus habe zu einem freudigen Feste, nicht zu einer Tjost gerufen, noch nicht einmal zur Jagd, geschweige denn zum Kampfe. In seinem Eifer nur noch angestachelter, Gawan ignorierend, Cidegast hingegen fest im Auge und schon im Abwenden, warf Gramoflanz lediglich „Wir sehen uns im Morgengrauen“! hin. Orgeluse entging die Erleichterung in Cidegasts Augen und seinem ganzen Körper nicht, doch anders als es ihr Verliebt Sein glauben machen wollte, freute er sich doch endlich auf Genugtuung. Am nächsten Tag zwar erst, doch immerhin. Orgeluses Lächeln wiederum, ihr liebender Blick, ihr fröhliches Geplauder mit ihrer beider besten Freund, sah er als edelmütige Erlaubnis an, in dieser Hinsicht freudige Erwartungen zu hegen. Doch durchfuhr es ihn jäh, als er an die bevorstehende Nacht dachte. Ihre Hochzeitsnacht! Das brannte ebenso tief in ihm. Er sah zu Orgeluse herüber, der sein Denken nicht entgangen war. Ihre Liebe schreckte ihn. Er schüttelte seinen Kopf unmerklich. Nein, das war es sicher nicht. Diese Frau oder keine! Orgeluse kam zu ihm, hakte ihn unter, nachdem Gawan zum Aufbruch an die Abendtafel mahnte.

In diesem Augenblick preschte Ither, einen goldenen Becher schwenkend, zu Pferd aus Artus halle und galoppierte an den Verblüfften vorbei, hinaus aus der Burg. Nicht nur Orgeluse, Cidegast und Gawan, steuerten überrascht auf die Burgmauer zu, auch andere Gäste, die gerade angekommen waren, folgten der Neugierde, dem wütenden roten Ritter nachzuschauen. So sah man dann draußen auf der Wiese ein eigenartiges Schauspiel. Da war nämlich ein lumpiger Geselle auf einem klapprigen Pferd gerade im Gespräch mit dem roten Ritter Ither. Und kurz danach schon staunte man sich die Seele aus dem Leib ob dieser höchstmerkwürdigen Gestalt, die nun den goldenen Becher schwang. Gawan und Orgeluse näherten sich als erstes dem jungen Mann im Narrengewandt der fragte wo Artus sei, er wolle doch Ritter werden. Orgeluse wollte Lachen, doch Gawan wies jenem sofort einfühlsam, wie es so seine Art war, wo er Artus fände. Ein Raunen vernahmen die beiden hinter sich, denn allzu unerhört war dieser Aufzug. Und kaum, dass sich ein Echauffieren gelohnt hätte, stürmte der junge Wilde abermals zur Burg hinaus zu Ither auf die Wiese. Und wieder nur Minuten, ja einen Atemzug nur später, so schien es, sah man Ither blutend fallen. Der stolze rote Ritter fiel von seinem edlen Ross, der Junge zerrte schon an dessen Rüstung, als Gawan endlich auf die Wiese folgte. Hatte dieser junge Schöne in schändlicher Gewandung tatsächlich Ither umgebracht mit einem Spieß der für die Wildschweinjagd gedacht war? Fassungslosigkeit lähmte die Zungen. Orgeluse schnappte arg nach Luft, ließ schließlich Cidegasts Hand aufatmen und sah ihm fragend in die Augen. Sie las in ihm ähnliches Entsetzen. Die Männer die Gawan gefolgt waren trugen Ither in die Burg. Gawan hingegen rüstete den ebenfalls entsetzlich weinenden Lump in Ithers Erbe und ließ ihn ziehen, den neuen roten Ritter.

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